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130 trotz 100er-Schild? Die IG-L-Ausnahme für Elektroautos in der Praxis

Tesla gegen „Luft-Hunderter“: Was deutsche E-Autofahrer in Österreich wissen müssen

Die Grenze ist passiert, der Urlaub beginnt. Doch kurz darauf springen die digitalen Anzeigen auf Österreichs Autobahnen auf 100 km/h und zeigen den ominösen Zusatz „IG-L“. Für viele deutsche Fahrer, gerade in leisen und leistungsstarken Elektroautos wie Teslas, beginnt hier die Verwirrung. Während Verbrenner abbremsen müssen, dürfen E-Autos oft weiter 130 fahren. Doch die Regeln sind ein Labyrinth aus statischen Schildern und dynamischen Anzeigen, und Fehler können deutlich teurer werden als in Deutschland.

Dieser Leitfaden entschlüsselt, wann das deutsche E-Kennzeichen zur Freikarte wird und welche Fallen auf den Transitrouten lauern.

Das Wichtigste für die Reise

  • Strenge Bedingungen: Die Ausnahme gilt nur für reine E-Autos (BEV) oder Wasserstofffahrzeuge (FCEV). Hybride sind ausgeschlossen.
  • Kennzeichenpflicht: Das deutsche „E“ am Ende des Kennzeichens ist zwingend erforderlich.
  • Nur mit Freigabe: Die Ausnahme gilt nur dort, wo ein statisches, weiß-grünes Schild sie explizit erlaubt.
  • Der „IG-L“-Zusatz entscheidet: Nur wenn das Tempolimit den Zusatz „IG-L“ trägt, greift die Befreiung. Fehlt der Zusatz, gilt das Limit für alle.
  • Nacht-Falle auf Transitrouten: Auf A10, A12, A13 und A14 gilt nachts (22–05 Uhr) für E-Autos eine absolute Obergrenze von 110 km/h, nicht 130 km/h.

Die Grundlagen: Vier Regeln für die Ausnahme

Das Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L) ist die Basis für den sogenannten „Luft-Hunderter“. Er soll die Umwelt schützen. Da Elektroautos lokal emissionsfrei fahren, hat Österreich eine Ausnahmeregelung geschaffen. Diese gilt jedoch nicht automatisch.

Damit ein Elektroauto das IG-L-Limit ignorieren darf, müssen vier Bedingungen gleichzeitig erfüllt sein:

  1. Reiner E-Antrieb: Es muss sich um ein reines Elektroauto (BEV, wie alle Tesla-Modelle) oder ein Wasserstofffahrzeug (FCEV) handeln. Plug-in-Hybride sind explizit ausgenommen, auch wenn sie ein E-Kennzeichen tragen.
  2. Das richtige Kennzeichen: Das Fahrzeug benötigt eine offizielle Kennzeichnung. Das deutsche E-Kennzeichen wird anerkannt.
  3. Nur auf Autobahnen: Die Ausnahme gilt ausschließlich auf Autobahnen und Schnellstraßen.
  4. Die explizite Erlaubnis (Die „Eintrittskarte“): Der wichtigste Punkt: Die Ausnahme muss auf dem Streckenabschnitt durch ein eigenes, statisches, weiß-grünes Schild erlaubt sein. Fehlt dieses Schild, gilt das IG-L-Limit für alle.

Nur wenn alle vier Punkte zutreffen, besteht die „Grundberechtigung“, die Ausnahme zu nutzen.

Der entscheidende Unterschied: IG-L oder StVO?

In der Praxis sorgt die Unterscheidung zwischen zwei Arten von Tempolimits für die meiste Unsicherheit. Tempolimits in Österreich basieren entweder auf dem IG-L oder der Straßenverkehrsordnung (StVO).

  • Limits mit „IG-L“-Zusatz: Diese sind umweltbedingt. Nur hier greift die Ausnahme für berechtigte E-Autos. Zeigt die Tafel „100 IG-L“, darf man in der Regel 130 km/h fahren.
  • Limits ohne „IG-L“-Zusatz: Diese basieren auf der StVO. Gründe können Lärmschutz, hohes Verkehrsaufkommen, Nässe oder Baustellen sein. Diese Limits gelten immer für alle Fahrzeuge – auch für Elektroautos.

Generell gilt: Strengere Limits (z.B. 80 km/h in einer Baustelle) haben immer Vorrang für alle.

Die „Streckenwirkung“: Das verwirrende Wechselspiel der Schilder

Viele Urlauber fragen sich: Was passiert, wenn die Schilder ständig wechseln? Muss ich das weiß-grüne Ausnahmeschild vor jeder einzelnen digitalen Anzeige sehen?

Die Antwort liegt im Konzept der „Streckenwirkung“.

Das statische weiß-grüne Schild wirkt wie ein Hauptschalter für den gesamten Abschnitt. Einmal passiert, ist die Grundberechtigung aktiv, bis der Abschnitt endet oder man die Autobahn verlässt. Es muss nicht wiederholt werden.

Die dynamischen Anzeigen (Verkehrsbeeinflussungsanlagen, VBA) auf den Schilderbrücken definieren dann das aktuell gültige Limit und dessen Rechtsgrundlage. Jede Schilderbrücke setzt dabei eine neue Anordnung, die die vorherige aufhebt.

Ein typisches Fahrszenario:

Man fährt mit seinem E-Auto auf die Autobahn. Das Ausnahmeschild wurde passiert (Grundberechtigung aktiv).

  1. Erste Schilderbrücke zeigt „100 IG-L“: Die Ausnahme greift. Man darf 130 km/h fahren.
  2. Zweite Schilderbrücke zeigt „100“ (ohne IG-L): Dies ist nun ein StVO-Limit (z.B. Lärmschutz). Die Ausnahme gilt hier nicht. Man muss auf 100 km/h reduzieren.
  3. Dritte Schilderbrücke zeigt wieder „100 IG-L“: Die StVO-Beschränkung ist aufgehoben. Da die Grundberechtigung durch die Streckenwirkung weiterhin besteht, darf man ab dieser Schilderbrücke sofort wieder 130 km/h fahren.

Die Erlaubnis wird durch zwischenzeitliche StVO-Limits also nicht gelöscht, sondern nur temporär überstimmt.

Die Falle auf der Transitroute: Die A12 und das Nachtlimit

Die Inntalautobahn (A12) ist eine der Hauptrouten für deutsche Urlauber auf dem Weg nach Italien oder in die Skigebiete. Sie ist gleichzeitig der komplexeste Fall, da hier mehrere Regelungen parallel gelten.

Auf einem Großteil der A12 gilt ein permanentes IG-L-Limit von 100 km/h. Die Ausnahme für E-Autos ist hier beschildert. Tagsüber dürfen berechtigte E-Autos also 130 km/h fahren.

Die Nachtregelung (22:00 bis 05:00 Uhr)

Nachts kommt eine zusätzliche Regelung ins Spiel: Auf der A12 (sowie A10, A13, A14) gilt ein generelles Nachtlimit von 110 km/h. Dieses basiert auf der StVO (Lärmschutz).

Das führt zu einer Situation, die oft missverstanden wird, da sich die Vorschriften überlagern:

  • Verbrenner müssen sich an das strengste Limit halten. 100 km/h (IG-L) ist strenger als 110 km/h (StVO). Für sie gilt 100 km/h.
  • E-Autos sind vom „100 IG-L“ befreit. Sie müssen sich aber an das nächstgültige Limit halten. Das ist in der Nacht das StVO-Limit von 110 km/h.

Konsequenz: Auf diesen Autobahnen dürfen E-Autos zwischen 22:00 und 05:00 Uhr maximal 110 km/h fahren – auch wenn „100 IG-L“ angezeigt wird. Wer hier nachts 130 fährt, riskiert eine Strafe nach der StVO.

Was gilt, wenn die Anzeigen aus sind?

Wenn die Schilderbrücken schwarz sind (VBA Ausfall), gilt in permanenten Zonen wie der A12 das IG-L-Limit im Hintergrund weiter. Da die Ausnahme aktiv ist, dürfen E-Autos tagsüber 130 km/h fahren. Nachts (auf A10, A12, A13, A14) sind es wegen des StVO-Nachtlimits maximal 110 km/h.

Teure Missverständnisse: Strafen und Probleme für deutsche Fahrer

Wer die IG-L-Regeln missachtet, muss tief in die Tasche greifen. Verstöße gegen IG-L-Tempolimits werden nicht wie normale Verkehrsübertretungen geahndet. Die Strafen sind deutlich höher und können theoretisch bis zu 2.180 Euro betragen, da sie nach dem Immissionsschutzgesetz-Luft geahndet werden.

Das Problem mit dem deutschen E-Kennzeichen

Obwohl das deutsche „E“ offiziell anerkannt ist, gibt es in der Praxis ein erhebliches Problem: Die automatischen Überwachungssysteme in Österreich erkennen ausländische E-Kennzeichen oft nicht korrekt.

Das führt dazu, dass deutsche Fahrer trotz korrekter Geschwindigkeit eine Anonymverfügung (Strafzettel) erhalten, weil das System sie wie einen Verbrenner behandelt hat.

[Warnhinweis] Vorgehen bei irrtümlicher Strafe

Sollte man als Fahrer eines berechtigten E-Fahrzeugs eine Strafe erhalten, ist es wichtig, diese nicht sofort zu bezahlen. Eine Bezahlung gilt als Schuldeingeständnis. Stattdessen sollte Einspruch bei der zuständigen Behörde erhoben werden. Dabei muss der reine E-Antrieb mittels Zulassungsschein (Fahrzeugschein) nachgewiesen werden.

Checkliste für die Fahrt durch Österreich

Um auf der sicheren Seite zu sein, sollten Fahrer von Elektroautos diese Punkte bei jeder Fahrt prüfen:

  1. Voraussetzungen: Reines E-Auto/Wasserstofffahrzeug mit E-Kennzeichen?
  2. Grundberechtigung Check: Wurde das statische, weiß-grüne Ausnahmeschild im aktuellen Abschnitt passiert?
  3. Jede Schilderbrücke lesen: Jede Anzeige ist eine neue Anordnung.
  4. Zusatz „IG-L“ suchen: Nur wenn „IG-L“ angezeigt wird, greift die Ausnahme (i.d.R. 130 km/h).
  5. Fehlt der Zusatz oder ist das Limit niedriger (z.B. 80)? Dann gilt das Limit (StVO) auch für das E-Auto.
  6. Nacht-Check (A10, A12, A13, A14): Zwischen 22:00 und 05:00 Uhr gilt eine absolute Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h.

 

Wie belastbar ist der Wissensstand?

Die Darstellung der Rechtslage basiert auf einer validierten Analyse der relevanten österreichischen Gesetze und Verordnungen. Die Interpretation der „Streckenwirkung“, das Zusammenspiel von statischen und dynamischen Signalen sowie die Logik der Nachtregelung gelten als juristisch gesichert. Die Hauptunsicherheit in der Praxis bleibt die fehleranfällige technische Erkennung ausländischer E-Kennzeichen durch die Überwachungssysteme.

 

Wichtiger Hinweis:

Dieser Artikel wurde nach bestem Wissen und Gewissen sorgfältig recherchiert (Stand: September 2025). Dennoch können wir keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der bereitgestellten Informationen übernehmen. Die Verkehrsvorschriften können sich ändern. Dieser Beitrag dient ausschließlich der allgemeinen Information und stellt keine Rechtsberatung dar. Jegliche Haftung für eventuelle Nachteile, Bußgelder oder Schäden, die aus der Nutzung der hier dargestellten Informationen entstehen, wird ausgeschlossen. Bitte informiere dich vor deiner Reise zusätzlich bei offiziellen Stellen wie dem ÖAMTC oder dem ADAC.

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